Ostermarsch 2024
 

Für Frieden und Versöhnung haben wir uns hier versammelt,
liebe Friedenssuchende, Friedenshoffende und Frieden-Fordernde!

Die Bedrohungen des Friedens und die Realitäten der Kriege sind Jahr für Jahr seit Beginn des Ostermarsches im Jahr 1960 schrecklich und schreien nach Verhandlungen, nach Gerechtigkeit, nach Abrüstung nach Versöhnung.
Aber seitdem die Ukraine durch Russland überfallen wurde und nach dem Terroranschlag des 7. Okt., sind die Entwicklungen erschreckend wie nie.
Das Leid, das Gewalt und Kriege auf dieser Welt verursachen, sind ‚himmelschreiend‘.

Der Krieg in der Ukraine scheint ohne Hoffnung, genauso wie in Israel und Palästina aus Terror und Mord nur neuer tausendfacher Tod erwächst, ohne einen irgendwie erkennbaren Weg in eine befriedete Welt.

Die Schlüsse, die wir in Deutschland und Europa daraus ziehen, sind nicht weniger erschreckend. Militärischen Logik, Aufrüstung und Drohung, Groß­manöver an den Grenzen eines als monströs wahrgenommenen Russlands und eine immer stärkere Beteiligung an diesen und anderen Kriegen sind zum Kern der ‚Zeitenwende‘ geworden.

„Kriegstüchtigkeit“ soll Deutschland erlangen – es ist nicht übertrieben zu sagen: wir bereiten uns gedanklich und wirtschaftlich auf einen Krieg vor.   
Wir sind in einer Eskalationsspirale, von der behauptet wird, sie sei die einzig mögliche Antwort auf die Gewalt oder die Drohung der anderen Seite.

ABER:    „Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein“

Wenn dies meine Prämisse und die vieler Christen ist, dann gehen wir von etwas grundsätzlich Anderem aus, als von „Kriegstüchtigkeit“.

Verteidigungs­fähigkeit, vielleicht. Stärkung der UN, Ja.

Aber sich bereit machen für einen NATO-Krieg gegen Russland - Nein.

Was den Juden und Wanderprediger Jesus von Nazareth vor über 2000 Jahren bewegt hat, und seither viele Christen, die seine Worte für wesentlich halten, ist die Aufforderung und der Zuspruch des Friedens und des Vertrauens auf Versöhnung mit sich selbst und mit den Mitmenschen. Die Liebe und Kraft, die Jesus von Gott empfängt, gibt er weiter an Jeden, wirklich JEDEN; zur Feindes­-Liebe aufzurufen, war damals für die meisten Menschen so ‚unglaublich‘ wie heute.

Gerade weil es ‚Feinde‘ des Lebens gibt. Weil es Menschen gibt, die bereit sind über Leichen zu gehen für ihre Interessen. Sie finden sich bei ALLEN Großmächten und Organisationen – es wird keinen Frieden geben, wenn wir nur eine dieser Großmächte, Staaten oder Organisationen anklagen.

Wir brauchen ein Bündnis der Freunde des Lebens!

Wir müssen der Eskalationsdynamik und Kriegsvorbereitung und -unterstützung etwas entgegensetzen – wir müssen uns ertüchtigen.

Was es wirklich dringend braucht, ist „Friedenstüchtigkeit“ !

 

Die aktuelle Eskalation ist ein Teil der Krankheit, nicht die Lösung.

Deeskalation JETZT!   - - - Aber wie beginnen – wer beginnt?

Wir sind auf der Suche nach Antworten, nach Wegen aus den verhärteten Positionen im Ukrainekrieg, der Aufrüstung zwischen Ost und West.
Wenigstens eine Trendwende
Das Interessen der Staaten, ihre Einflusssphären zu sichern oder auszuweiten, bezahlen Menschen mit dem Leben, bezahlen Gesellschaften mit sozialen Verwerfungen und die Erde mit einer ungebremsten Temperaturerhöhung.

 

Vier Aspekte der Friedenstüchtigkeit sehe ich.

 

Für mich bedeutet Friedenstüchtigkeit:

Der Blick auf die Not und das Leid der Menschen zu richten, ohne Trenn­ung nach Freund und Feind. Das steckt für mich in den Worten „Nie wieder!“

Mit den Worten von Elsa Köster, Journalistin der Zeitung ‚Der Freitag‘:

„Nie wieder darf ich, aus welchem Grund auch immer, beschließen, dass das Leid eines Menschen eine geringere Katastrophe ist als das Leid eines anderen Menschen. Der Moment, an dem wir beschließen, einem leidenden Menschen unsere Empathie zu versagen, wird zum robusten Stein im Fundament von Kolonialismus und Faschismus.
Die einen Menschen auszublenden in der Fehlannahme, die anderen Menschen auf diese Weise besser zu sehen, ist die falsche Entscheidung. Diese falsche Entscheidung treffe ich:
Nie wieder.  
Die richtige Entscheidung ist die, die zerreißt. Immer wieder.“

 

Für mich bedeutet Friedenstüchtigkeit:

Die Vorstellung aufzugeben, einen Krieg gewinnen zu können.

Die Folgen von Kriegen sind täglich vor unseren Augen. Und trotz der Trümmer, der Todeszahlen, der erkennbaren Verformung ganzer Gesellschaften auf Generationen hin – gibt es immer noch Menschen die meinen, militärisch gewinnen zu können.

Häufig sind nicht einmal Militärs dieser Meinung.

Es ist an der Zeit, dass Amerikaner und Russen, Israelis und Palästinenser, Ukrainer und wir anderen Europäer erkennen: wir sind alle Verlierer.

Oder in den Worten von Papst Franziskus:
 „Lasst uns nie vergessen, Krieg ist immer eine Niederlage“

 

Für mich bedeutet Friedenstüchtigkeit:

Die Dämonisierung des Anderen ersetzen durch die Annahme, dass auch die Anderen von ähnlichen Interessen, ähnlichen Wünschen nach Anerkennung, Sicherheit oder Machtbedürfnis erfüllt ist, wie ich oder unsere Regierung. Durch die Ausblendung der eigenen Anteile am Konflikt, wird dieser nicht lösbar, sondern treibt die Eskalation voran.

Nochmal zur Feindes-Liebe – was kann das konkret bedeuten heute?
Hineinversetzen, Verstehen!Verstehen heißt nicht gutheißen;
heißt auch: Untaten verurteilen – und dennoch verstehen.
Um aus diesem Verstehen zur Konfliktlösung zu gelangen.

 

Auch die ‚Feinde des Lebens‘, von denen ich vorhin sprach, sind Menschen mit einer Geschichte, die meist mit der unsrigen verwoben ist. Wir alle hier, wir als Gesellschaft betreiben immer wieder die Dämonisierung der Anderen. Aber: Weder Amerikaner, noch Russen, weder Israelis noch Palästinenser, weder Ukrainer noch wir anderen Europäer sind allein ‚schuld‘ an der Gewalt und dem massenhaften Tod. Unser Aufruf zur Versöhnung kann sich daher nicht an die USA, die Ukraine oder Russland, Israel oder die Hamas richten – sondern an alle und an uns selbst gleichzeitig:

 

Zieht Eure Waffenröcke aus und begebt Euch mit weißen Fahnen
- weiße Fahnen auf jeder Seite -    an einen Verhandlungstisch!
So wie es Papst Franziskus kürzlich formulierte.  Das ist Feindesliebe.

Der Mut zu Verhandlungen – er entsteht auch aus der Wahrnehmung der eigenen Anteile an der Eskalation und dem Wissen, dass Deeskalation im Kopf von uns allen beginnt, zu Sprache wird und den Regierenden vielleicht den entscheidenden Impuls gibt - auch von diesem Ostermarsch kann ein solcher Impuls ausgehen!

 

Das Wichtigste, was für mich ‚ Friedenstüchtigkeit ‘ ist:

Lasst Euch nicht die Vorstellung – die Hoffnung – die Vision einer friedlichen Welt nehmen!
Dem Liedgut der ersten Ostermarschierer der 60er Jahre bleiben wir treu:        
             
 „Marschieren wir gegen den Osten? Nein!
                 Marschieren wir gegen den Westen? Nein!
    Wir marschieren für eine Welt, die von Waffen nichts mehr hält!“

 

Wir als Friedensbewegte in all unserem Zweifel dürfen – dennoch – hoffen.
Ja ohne die Vision einer friedlichen Welt werden wir uns nicht auf den Weg der Deeskalation begeben und werden – - ja auch wir hier auf diesem Platz – - Stellvertreterdiskussionen führen.
Dinge fordern, die so utopisch oder abwegig sind, weil das realisierbar-visionäre uns nicht mehr vorschwebt.

 

Bitte GLAUBEN sie weiter: Glauben Sie an eine Verständigung der Gegner, an die Möglichkeit der Verhandlungen, an stabilisierende Sicherheitsarchitekturen, an den Interessensausgleich.

Wenn nicht heute … dann morgen.

Und das wird Auswirkungen haben – vielleicht weiter, als wir es für möglich halten.

In diesem Sinne eine Osterzeit mit konkreten Ideen für Versöhnungsansätze.
Das wünsche ich Ihnen. Danke.

 

Für die Friedensgruppe der Kompass-Kirchengemeinde: Dr. Andreas Zeddel, Altenholz